Haushalt 2020 – Haushaltsrede von Christoph Goller

Haushaltsrede 2020

Sehr geehrter Herr Bürgermeister von Rekowski,
verehrte Bürgerinnen und Bürger, Kolleginnen und Kollegen im Rat,
heute ist es wichtiger denn je, all denen zu danken, die sich mit ihrem
ehrenamtlichen Engagement für unsere Gesellschaft und unsere Stadt
einsetzen. Ob in Sport, Freizeit oder Kultur, in der Feuerwehr, bei der
DLRG um nur einige Bereiche exemplarisch zu nennen. Diesen
Menschen sagen wir: DANKE! Bitte setzen Sie ihr Engagement fort und
begeistern Sie die Mitbürgerinnen und Mitbürger für ́s Mitmachen. In
Zeiten von anonymen Hassmails, Bedrohungen an Leib und Leben und
populistischen Redenschwingern brauchen wir das menschliche,
ökologische und zukunftsorientierte Miteinander. Wir sollten uns mit
gegenseitigem Respekt begegnen und behandeln. Stehen wir
zusammen für eine offene, demokratische Gesellschaft. Demokratie ist
kein Selbstläufer!
Bündnis 90 / Die Grünen haben sich einem nachhaltigen und
verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen der Stadt
verpflichtet. Der Haushalt 2020 ist leider, aus unserer Sicht, immer noch
nicht nachhaltig und fit für die Zukunft. Das liegt zum größten Teil an der
unveränderten Situation der nicht auskömmlichen Finanzausstattung
durch die Bundes- und Landesregierung. Durch Kürzungen in vielen
Budgets und der Erhöhung der Grundsteuer A und B wird uns ein
hauchdünner Haushaltsausgleich vorgestellt. In der Hoffnung diesen
Ausgleich über das Jahr zu retten und damit die Haushaltshoheit zurück
zu erlangen, wird dieser Haushalt mehrheitlich von den Mitgliedern des
Rates der Hansestadt Wipperfürth akzeptiert.

Nicht so von uns!

Der Haushalt wird vom Rat verabschiedet, inclusive dem Stellenplan. Die
Mehrheitsfraktionen hätten hier jeden Verhandlungsspielraum nutzen
können um den Haushalt ihren Vorstellungen entsprechend anzupassen.

Wir erkennen den Versuch der Verwaltung, handlungsfähig und
unabhängig von dem Haushaltssicherungskonzept zu werden, an. Dies
unterstützen wir ausdrücklich und darum sind uns folgende Punkte besonders wichtig:

1.) Durch die Kürzungen in der Substanzerhaltung werden dringend
benötigte Sanierungen in die Zukunft, sprich auf nachfolgende
Generationen verschoben. Folge: Ein fortschreitender Verzehr des
Eigenkapitals! Wir können keine nachhaltige Strategie erkennen!
Es werden die Baustellen bedient, die am lautesten schreien.
Insbesondere unsere Schulen haben in den letzten Jahren
darunter gelitten. Der runde Tisch am kommenden Donnerstag ist,
in Blick auf die Schulen, ein erster richtiger Aufschlag! Ein
modernes Gebäudemanagement vom Neubau, über eine gute
Substanzerhaltung, sprich regelmäßige Renovierungen, bis hin zur
kompletten Sanierung oder rechtzeitigen Ersatzbeschaffung muss
implementiert werden. Dies gilt auch für unsere Straßen. Viele
Wirtschaftswege sind in den 1950er und 1960er Jahren asphaltiert
worden. Sie genügen heutigen Ansprüchen kaum noch. Der
Ausbau nach Bundesbaugesetz, und die Sanierungen nach
Kommunalabgabengesetz sind in unseren Siedlungen zum
Erliegen gekommen. Der Lösungsvorschlag vom Land dümpelt vor
sich hin. Die Zeit arbeitet auch hier gegen uns. Wenigstens das
Programm „Gute Schule“ läuft halbwegs. Deshalb muss der Ansatz
für die Substanzerhaltung deutlich erhöht werden.

2.) Der Klimawandel hat uns endgültig eingeholt. Trotzdem beantragt
die CDU die Ablehnung des Klimanotstandes! Vielleicht ein
Eigentor. Der Verwaltungsvorschlag war ein tragfähiger
Kompromiss. Durch die langersehnte Besetzung der Stelle der
Klimaschutzmanagerin sind wir jetzt endlich einen Schritt weiter
gekommen. Viele Dinge sind liegengeblieben, wir setzen auf eine
zügige Abarbeitung des integrierten Klimaschutzkonzeptes.
Vorschläge gibt es genug. Ein erster konnte eben unter
Tagesordnungspunkt 1.4.3. auf den Weg gebracht werden. Hier
offenbart sich, dass bei der Umsetzung der Wipperfürther
Bauprojekte durch das RGM eine deutlichere Aufgabenstellung
erfolgen muss. Leider wurde auch das Budget für den Klimaschutz
gekürzt. Unsere neue Klimaschutzmanagerin wird Ausdauer
beweisen müssen. Klimaschutz ist der Maßstab unseres Handelns.
Ich hege die Hoffnung, dass unsere Kinder mit der „Friday for
Future“ Bewegung auch tatsächlich Verantwortung übernehmen.
Vielleicht verringert sich dadurch der Elternspezialverkehr an den
Schulen und Kindergärten.

3.) Pläne und Konzepte sind eine tolle Sache. Es kommt darauf an,
wie sie umgesetzt werden. Ob Kindergartenbedarfs- und
Schulentwicklungsplan, Raumkonzepte für Schulen und
Verwaltung, Personal- und Friedhofsentwicklungskonzept. Alles
prima? Mitnichten! Die Erkenntnisse aus diesen Konzepten
ermöglichen eine strategische Entwicklung von Wipperfürth zu
generieren. Wohin wollen wir und was können wir uns tatsächlich
leisten? Welche Projekte gehen wir an? Dann gibt es auch noch
Verkehrs- und Radwegekonzepte! Vielleicht lernen wir daraus
öfters mal mit dem Rad zu fahren oder den ÖPNV zu benutzen.
Mobilität wird uns auch zukünftig beschäftigen. Pläne für eine
Südumgehung finden sich nicht in den Konzepten!

4.) Der Umbau der Innenstadt ist auf der Zielgeraden angekommen.
Der fast fertig gestellte Marktplatz vermittelt schon sehr gut die
zukünftige Aufenthaltsquallität. Wir freuen uns darauf und hoffen
auf gutes Wetter zur offiziellen Eröffnung. Dann muss auch zeitnah
die endgültige Sperrung für den Individualverkehr beim DM
erfolgen.

Die abschließenden Bauabschnitte „An der Stursbergs-Ecke /
Untere Straße“, werden dann bis Mitte 2021 umgesetzt. Durch den
Bau eines großen Regenwasserkanals in der Unteren Straße kann
die Verwaltung einen Knackpunkt bei der Vorsorge um
Starkregenereignisse entschärfen.


Eine große Herausforderung wird der Umbau des Zentralen
Omnibusbahnhofs. Hier setzen wir auf eine zukunftsfähige Lösung.
Die neuen Mobilitätskonzepte sind zwingend zu berücksichtigen!
Viele Akteure spielen im Hintergrund eine wichtige Rolle, auch bei
der Finanzierung. Förderrichtlinien der unterschiedlichsten
Fördertöpfe wollen unter einen Hut gebracht werden. Eigenmittel
müssen bereitgestellt werden. Welche Aus- oder Umbauvariante
letztlich zur Ausführung kommt, muss für eine breite Mehrheit
tragfähig sein. Ein transparentes Verfahren stellt dies sicher. Die
Kommunikation mit der Bürgerschaft wird eine große
Herausforderung.

5.) Bei den Flächen für Gewerbe und Industrie ist das Gespräch mit
den Eigentümern von Alt- und Brachstandorten zu suchen. Hier
kann durch Tausch, Reaktivierung und Verlegung von Betrieben
ein großes Potential gehoben werden. Mit einem
maßgeschneiderten Planungsrecht versehen, werden so attraktive
Standorte in eine vorhandene Infrastruktur eingebunden – auch
mehrgeschossig. Die ressourcenschonende Weiterentwicklung der
vorhandenen Flächen muss Vorrang haben vor neuen Flächen auf
der grünen Wiese. Gleiches gilt für Wohnbauflächen. Durch die
Schaffung von kleineren, barrierefreien Wohneinheiten an zentraler
Stelle könnten ältere und vielleicht alleinstehende
Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer
bewogen werden, ihre angestammten Wohnungen oder Häuser an
nachfolgende Generationen zu übergeben. Viele vernünftige
Lösungen sind hier denkbar. Eine realistische Bewertung der
Immobilie, und die Möglichkeit jungen Familien aus dem Ort eine
Perspektive zu bieten, sind unser Ziel – im Zentrum und auf den
Dörfern. Die Stadtverwaltung dient als Vermittler zwischen den
Generationen. Dies ist eine demographische Herausforderung!

6.) Die weichen Standortfaktoren rücken zukünftig noch mehr in den
Vordergrund. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie deren
Familien wollen wir ein vielfältiges Angebot an Sport, Freizeit und
Kultur sowie ein geselliges Vereinsleben für Jung und Alt bieten.
Die Kulturstiftung „Wir Wipperfürther“ mit der „Drahtzieherei“ und
den anderen Säulen ist unverzichtbar. Hier nochmal ein Dank an
alle Wipperfürther Gruppen und Vereine.
Eine umfassende und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung vom
Kleinstkind bis zu den Jugendlichen gehört ebenso dazu. Flexible
und verlässliche Betreuungsangebote bieten Familien und den
ortsansässigen Unternehmen Planungssicherheit. Dies stärkt den
Gewerbestandort Wipperfürth!

Sowohl für die Unternehmen als auch für die Bürgerinnen und
Bürger ist der voranschreitende Breitbandausbau ein immer
wichtiger werdender Standortfaktor.

7.) Da das InHK bautechnisch fast am Ziel angelangt ist, wird sich der
Einzelhandel auch den neuen Herausforderungen stellen müssen.
Eine funktionierende Nachfolgeorganisation zum ESW ist dringend
erforderlich. Frische Ideen sind gefragt. Der Gestaltungsleitfaden
und die Gestaltungssatzung geben einen Rahmen vor, den
Ladeninhaber und Grundstückseigentümer ausfüllen können.
Grundstücksübergreifende, großzügige Ladenlokale könnten
realisiert werden.
Moderate Mieten sind lebenswichtig für einen vitalen Einzelhandel.
Mietpreise wie in Kölns Innenstadtlagen sind nicht mehr
zeitgemäß. Wir fordern ein stärkeres und präsenteres
Citymanagement, zu dem ebenfalls das
Ladenleerstandsmanagement gehört!
Die Stadtbücherei gehört in die Innenstadt. Ein modernes
Erscheinungsbild als Treffpunkt für soziale Kontakte und
Lern- und Wissensstandort ist angesagt. Dafür muss es qualifiziertes
Fachpersonal geben, um Qualität und attraktive Öffnungszeiten
realisieren zu können. Die Stellenausschreibung für den
Diplombibliothekar wurde gestoppt, der Haushaltsansatz für eine
Anmietung von Räumen fiel dem Sparzwang zum Opfer. Dies ist
gegen unseren Willen geschehen. Wir protestieren erneut!
Auch die BEW muss ihre neuen Geschäftsfelder ebenfalls in der
Innenstadt präsentieren. Die Wipperfürther Aufsichtsratsmitglieder
dürfen da ihren Einfluss geltend machen.
Das Stadt-Marketing und die Tourismusaktivitäten sind jetzt am
Marktplatz verortet. Eine gute Entscheidung, die mit Leben gefüllt
werden muss! Wir sind auf die Ergebnisse gespannt.

8.) Die interkommunale Zusammenarbeit mit Hückeswagen muss
weiter ausgebaut werden. Viele Geschäftsfelder können in einer
gemeinsamen Verwaltung besser bearbeitet werden.
Synergieeffekte bei Personal-, Investitions- und Materialkosten
sind durch die bestehenden Vereinbarungen ersichtlich. Klare
Aufgaben und Ziele steuern den Ablauf in den gemeinsamen
Ämtern. Probleme wie zuletzt beim RGM dürfen sich nicht
wiederholen. Dafür müssen die Verwaltungsvorstände und
Lenkungskreise sorgen. Weitere Nachbarkommunen haben
eventuell auch Interesse an einer Zusammenarbeit.


Wir fordern endlich eine vernünftige und nachhaltige Finanzierung der
städtischen Aufgaben. Es muss eine gerechtere Verteilung der
gesamten Steuereinnahmen geben. Dieses strukturelle Problem kann
unser Kämmerer mit seinem Team genauso wenig lösen, wie der
Stadtrat oder der Bürgermeister. Trotzdem muss es mittelfristig eine
landes- oder bundesweite Lösung geben. Auf Grund der oben
genannten Tatsachen ist der Haushalt nicht nachhaltig und
zukunftsorientiert. Wir lehnen ihn erneut ab! Aber: die Stadt muss
handlungsfähig bleiben, dazu stehen wir!

Die gemeinsame, offene und unvoreingenommene Auseinandersetzung
aller rechtsstaatlichen Parteien wird die Wipperfürther-Themen zum
Erfolg führen. In diesem Sinne!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Christoph Goller

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